Im Zuge der Recherchen für dieses Thema habe ich mich in die Kopie eines Steiff-Teddybären aus dem Jahre 1908 verliebt: rosa Mohair, Handarbeit, ernster Gesichtsausdruck. Ich war sicher, dass die besondere Qualität auch ein mir sehr nahe stehendes kleines Mädchen faszinieren würde. Die derart Beschenkte strahlte kurz auf, trug den Bären in ihr Zimmer und setzte ihn zu den geschätzten 50 anderen Stofftieren auf ihrem Bett. Unverzüglich lud sie mich zum Spielen ein: mit ihrem Plastik-Supermarkt inklusive piepsender Scanner-Kassa und Bankomat. Besser hätte man die Einschätzung des Direktors des Spielzeugmuseums in Nürnberg (siehe Gespräch auf Seite 32) nicht illustrieren können: Erwachsene würden immer kindischer und Kinder seien keine Nostalgiker. Daher ist Spielzeug auch ein klarer Spiegel seiner Zeit. Barbie zum Beispiel trägt stets die neueste Mode und besitzt die coolsten Dinge.
Immer weniger Kinder werden mit immer mehr Spielzeug überhäuft, für dessen Benutzung sie immer weniger Zeit haben. Gespielt wird vor allem im Haus und mangels Geschwistern alleine. Doch Spielzeug spiegelt nicht nur die unmittelbaren Lebensverhältnisse der Menschen, sondern auch die globalisierte Arbeitswelt. Dem Lächeln, das Spielzeug in Kindergesichter zaubert, stehen die oft qualvollen Produktionsbedingungen in China, dem Hauptherkunftsland für Spielwaren, gegenüber (siehe Beitrag auf Seite 34).
Spielzeug ist also eine ergiebige Quelle intellektueller Reflexion. Das Thema schillert in seinen Widersprüchen und fasziniert mit seinen Paradoxien. Man kann sich ihm von vielen Seiten nähern: historisch, technisch, psychologisch, wirtschaftlich oder künstlerisch. Dennoch bleibt ein Quäntchen Unwägbares. Unbeeinflusst von der riesigen Marketing-Maschinerie für Kinder gibt es noch die fast zu-Tode-geliebten Stofftiere, Begleiter durch eine ganze Kindheit. Gesellschaftsspiele und abgegriffene Kinderbücher, die über die Generationen weitergegeben werden, koexistieren mit Plastik-Wegwerf-Spielzeug, das Kindern zum Essen dazugeschenkt wird. Spielzeug ist eben beides gleichzeitig: Ware in einer Zeit, in der es von allem zuviel gibt, und Ausdruck des „ewigen Spielers“, der der Mensch auch ist.
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